Sensorische Integration, SI-Ayres Therapie
Geh‘ nicht vor mir,
vielleicht kann ich nicht folgen,
geh‘ nicht hinter mir,
vielleicht kann ich nicht führen.
Geh‘ neben mir
und sei mein Freund.
Jean Ayres
Was ist sensorische Integration?
Dieser Begriff einer Behandlungsmethode für Kinder mit Lern- und Entwicklungsstörungen wurde von Dr. Jean Ayres erstmals 1964 als „Sensory Integration Therapie“ in Kalifornien – USA geprägt.
Sensorische Integration ist jener neurologische Prozess, bei dem die Sinneseindrücke aus der Umwelt und vom Körper geordnet (verarbeitet) werden, damit der Mensch seinen Körper innerhalb der Umwelt sinnvoll einsetzen kann (nach Fisher, Murray, Bundy). Diese Prozesse sind der Grundstein für Entwicklung, für Alltagshandeln und Lernen.
Sensorische Integration (SI) ist ein normaler, dynamischer, neurologischer Prozess, bei dem das Gehirn eingehende Sinnesreize aus der Umwelt ordnet, und dem Menschen ermöglicht sich in seiner Umwelt angemessen zu verhalten. Die Sinnesreize werden organisiert und verarbeitet, verknüpft und interpretiert. Dadurch werden die Sinnesreize für den Menschen bedeutsam und nutzbar. Diese Nutzung kann in einer Wahrnehmung oder Erfassung des Körpers oder der Umwelt bestehen, aber auch in einem angepassten Verhalten, einer Handlung oder einem Lernprozess. Durch die Sensorische Integration wird erreicht, dass alle Abschnitte des Zentralnervensystems, die erforderlich sind, damit ein Mensch sich sinnvoll und emotional zufrieden mit seiner Umgebung auseinandersetzen kann, aufeinander abgestimmt werden.
Durch die Sensorische Integration werden verschiedene Wahrnehmungsbereiche miteinander in Verbindung gebracht. Die Sensorische Integration spielt eine zentrale Rolle in der gesamten Entwicklung des Kindes von Anfang an, weil das Kind seine Erfahrungen nutzt um Neues zu erlernen. Es entstehen neue Verknüpfungen im Nervengeflecht des Gehirnes, das Gehirn vergrößert seinen Erfahrungsspeicher.
Mit diesem macht das Kind wiederum neue Erfahrungen, und so entsteht eine sich ständig erweiternde Spirale der Lernentwicklung. Dies betrifft sowohl das Lernen auf motorischer Ebene (daher der Begriff Sensomotorik), als auch die sprachliche, geistige und emotionale Entwicklung. Ein Kind nutzt sein Wissen und seine Erfahrungen um darauf aufzubauen, so wie bei dem Bau eines neuen Hauses das Fundament eine stabile Grundlage für den weiteren Hausbau ein grundlegender und äußerst wichtiger Schritt ist. Wenn nun das „Fundament“ nicht stabil und nicht gut vorbereitet für die Belastungen des Alltags ist, wird auch der Aufbau brüchig sein. Dies ist der Fall bei sensorischen Integrationsstörungen.
Unter Sensorischer Integration versteht man auch eine Therapiemethode, die ihre Anwendung in sehr vielen, großen Bereichen der Kinderheilkunde findet.
Anzeichen für eine Störung der sensorischen Integration
In der Säuglings-, und Kleinkindzeit
Zusätzlich zur Hyper-, oder Hypoaktivität
- Motorische Entwicklungsverzögerung
- Asymmetrische Körperhaltung
- Abwehr auf Schmusen und Berührung
- außergewöhnlich starke Schlafstörungen
- Saug-, Schluck-, Trink-, Essprobleme
- Atypische Reaktionen auf ungefährliche Reize
Vorschul-, und Schulalter
- Motorische Entwicklungsverzögerung
- Ungeschicklichkeit
- Verhaltensauffälligkeiten: Aggression, Regression
- Schwache Haltung
- Nächtliches Einnässen
- Angstzustände
- Geringe Merkfähigkeit
- Konzentrationsschwäche
- Lern-, und Leistungsstörungen
- Verzögerte Sprachentwicklung
Das Therapiekonzept der Sensorisch- Integrativen Ayres Therapie
„Nichts breitet uns mehr Unbehagen als ein Kind zu sehen das nicht spielt. Ein solches Verhalten ist für uns ein sicheres Zeichen dafür, dass das Kind entweder körperlich oder seelisch krank ist“ West 1888.
Bei der Sensorisch Integrativen Ayres Therapie werden verschiedene Aspekte der Entwicklung zu einer Einheit zusammengeführt; es werden hierbei die sozio-emotionale, motorisch-funktionelle, kognitive und Handlungs- und Alltagsebene des Kindes individuell in einem geschützten Rahmen gefördert.
Das Kind ist in einem spezifisch dafür eingerichtetem Raum aktiv spielend an der Therapie beteiligt. Wenn Spiel als Aktivität verstanden wird, geht es darum, perzeptive (erfassen von Zusammenhängen), kognitive, sensorische und motorische Fähigkeiten zu koordinieren.
Die Therapiegestaltung richtet sich nach der Motivation, den Bedürfnissen und den Fähigkeiten des Kindes. Der Therapeut schafft in den Therapiesituationen das Angebot, die Dosierung und die Steigerung.
Die sensorische integrative Ayres Therapie zielt auf die Verbesserung der Fähigkeit des Kindes, mit Objekten und räumlichen Gegebenheiten in der sich ständig verändernden Umwelt zu interagieren.
Dies wird erreicht mittels:
- Normalisierung der sensorischen Verarbeitung
- Veränderung des Erregungsniveaus
- Einfluss auf die Aufmerksamkeit
- Motivation als „Motor“ für Aktivitäten
- Initiierung Fähigkeit (Spiel-) Ideen zu entwickeln
- Verbesserung der motorischen Planung – also geschicktere Bewegungen
- Verbesserte Organisation des Verhaltens
Beeindruckend an der SI-Ayres-Therapie sind die Verhaltensänderungen, die mit den Nachreifungs-Prozessen Hand in Hand gehen. So wie das Kind zu seinem körperlichen Gleichgewicht findet, ist zunehmendes Vertrauen in sich selbst und die Umwelt und damit der Aufbau von seelischem Gleichgewicht zu beobachten.
Das Kind erhält in der SI-Ayres Therapie die Gelegenheit, frühere Stufen der Entwicklung zu durchleben und so in den Bereichen nachzureifen, welche die Grundlage für die Anforderungen seines Alters sind. Nicht an den Fehlern wird gearbeitet sondern die Stärken werden aufgegriffen. Jean Ayres, die Begründerin der Sensorischen Integrations-Therapie, prägte den Satz „Etwas was man nicht kann, kann man nicht üben.“ So wird beispielsweise nicht das Springen an sich geübt, wenn das Kind nicht springen kann. Es werden stattdessen in einer vom Kind selbstgewählten Spielaktivität therapeutische Ziele eingebettet. In einer physikalisch und emotional sicheren Umgebung kann das Kind Fähigkeiten erlernen, die es dann zum Springen führen. Es geht nicht in erster Linie um Quantitäten, wie die Frage „Kann das Kind krabbeln?“, sondern um Qualitäten, um die Frage „Wie krabbelt das Kind?“. Bei Kindern mit Wahrnehmungsstörungen finden wir sehr häufig eine mangelnde Qualität bei Bewegungsmustern des ersten Lebensjahres.
Häufig fällt uns ein Kind durch Unterempfindlichkeit auf, beispielsweise in der Tiefenwahrnehmung. Es empfindet kaum Schmerz, wenn es irgendwo anstößt oder etwas auf seinen Fuß fällt.
Ebenso können wir durch einfache Beobachtung Signale einer Überempfindlichkeit erhalten – zum Beispiel im Gleichgewichtssystem, wenn Kinder um nichts auf der Welt schaukeln oder in eine Hängematte wollen, nur ungern und mit sehr viel Unterstützung auf einen Stuhl oder Tisch klettern oder in bestimmten – emotional durchaus sicheren – Situationen die Augen nicht schließen wollen.
Sowohl unter- als auch überempfindliche Kinder erhalten in der SI-Therapie Sinnesinformationen die ihnen helfen, ihre Sinnessysteme zu entfalten und damit zu einer besseren Regulation ihrer Wahrnehmung zu gelangen.
>> PDF – Artikel SI Ärztezeitung
>> PDF – Artikel SI in der Physiotherapie
Erfolgsaussichten
Meist kann die Situation der Kinder bei konsequenter Teilnahme an den Therapiestunde rasch verbessert werden, was wiederum auch zu einer Verbesserung im Alltag führt. Die individuelle Entwicklung des Kindes in Bezug auf seine persönlichen Fortschritte steht in jedem Fall im Mittelpunkt der Therapie.
Therapeutische Techniken und Inhalte sind durch die enge Zusammenarbeit zwischen dem Praxisteam und der Gesellschaft für Sensorische Integration Jean Ayres Deutschland und International (GSID©) immer auf dem neuesten Stand der Wissenschaft. Es finden regelmäßige Supervisionen zu Überprüfung der Behandlungsqualität statt.
Kostenübernahme
Die Sensorische Integrative Ayres Therapie ist eine Kassenleistung im Rahmen der Ergotherapie.
Als „senso-motorische perzeptive Behandlung“ wird sie im Regelfall von allen Kassen bis zu 40 Mal übernommen.
Es entstehen für den Patienten keine zusätzlichen Kosten.